Die Frage, die wir uns zu Beginn selbst gestellt haben und mittlerweile von vielen Leuten gefragt wurden:
Wie finanziert sich eine Solawi in der Startphase ohne bereits bestehendes Eigenkapital?
Denn die Finanzierung der laufenden Kosten einer solidarischen Landwirtschaft nach dem ersten Jahr ist schnell erklärt: Die Mitglieder tragen die vollen Kosten solidarisch untereinander. Das ist eines der Hauptprinzipien jeder Solawi.
Doch wie startet man ein solches „Projekt“, vor allem ohne einen bereits bestehenden landwirtschaftlichen Betrieb?
Es fallen zu Beginn bereits Kosten an, die schnell gedeckt werden müssen: Jungpflanzen und Saatgut gilt es zu bestellen, Pacht für den Acker muss gezahlt werden und natürlich kann die Gärtnerin oder der Gärtner für gewöhnlich auch nicht mehrere Monate auf ihr bzw. sein Gehalt warten. Vor allem beim Start benötigt jeder Gemüseanbau die Anschaffung von verschiedenen Werkzeugen (von Esel mit Pflug bis großem Traktor liegt da die Spannweite). Auch wenn wir möglichst bodenschonend und ohne großes Gerät arbeiten möchten, um u.a. die Bodenverdichtung so gering wie möglich halten zu können, müssen wir einiges anschaffen: einen Folientunnel für den geschützten Anbau (Tomaten, Gurken etc.), einen Einachser für die Bodenbearbeitung, ein Fahrzeug für den Gemüsetransport vom Acker zu den Verteilpunkten, Kisten für die Gemüselagerung, Materialien für die Bewässerung etc. Wir versuchen, die Kosten gering zu halten, indem wir v.a. second hand einkaufen wollen. Nichtsdestotrotz benötigen wir Geld für diese Investitionen.
Einen großen Teil haben die Menschen geholfen, die bereits Mitglied in unserer Genossenschaft geworden sind. Mit ihren sog. Geschäftsanteilen, die sie beim Eintritt in die Genossenschaft gezeichnet haben, konnten wir einen Grundstock an finanziellen Mitteln aufbauen. Für die weiteren Investitionen stehen uns im Grunde nun zwei Möglichkeiten zu Verfügung:
1. Wir können ganz klassisch einen Bankkredit beantragen, der je nach Konditionen ein eher teures Unterfangen sein wird oder
2. Wir greifen den Grundgedanken der Gemeinschaft in unserer Solawi auf und bauen auf sog. Nachrangdarlehen durch die Mitglieder.
Was ist ein Nachrangdarlehen?
Ein Nachrangdarlehen oder auch „Darlehen mit qualifizierter Nachrangvereinbarung“ ist eine Finanzierungsmöglichkeit für Genossenschaften gemäß dem Genossenschaftsgesetz. Es ermöglicht die Finanzierung und damit die Realisierung von Projekten, welche anfangs wenig Eigenkapital besitzen.
Hierbei geben die Mitglieder der Genossenschaft Direktkredite, die mit 0
bis 2% verzinst werden, und erhöhen so maßgeblich die Liquidität
unserer gemeinschaftlichen Solawi.
Das Geld bekommt der/die Darlehensgeber*in wieder. Der Darlehensvertrag ist zwar zunächst unbefristet, kann aber nach dem Ablauf von zwei Jahren und durch den/die Darlehensgebenden und jederzeit (durch Rückzahlung) durch den/die Darlehensnehmenden beendet werden.
Nachrangdarlehen können nur durch Mitglieder der Solawi Heckengäu eG gegeben werden. Dabei ist allerdings unerheblich, ob das Mitglied einen Erntevertrag unterschreibt. Das heißt, man kann auch „unterstützendes Mitglied“ werden, ohne Gemüse zu beziehen.
Wieviel Geld wird benötigt?
Jedes Mitglied hat bereits durch seinen Genossenschaftsanteil ein kleines Stück der Solawi Heckengäu gekauft und damit Geld investiert. Das reicht aber noch nicht aus, um den Kapitalbedarf zu decken!
Dieser beläuft sich dieses Jahr auf ca. 29.000 €. Das klingt erst Mal sehr viel für den Einzelnen, aber wir haben den großen Vorteil, dass wir viele Menschen sind! Wenn jede*r Zweite im ersten Jahr ein Darlehen in Höhe von 1.000 € geben würde, hätten wir problemlos unser Budget erreicht.
Dabei ist die „kritische Phase“ der Start: Bis April müssen wir ca. 20.000 € Darlehen aufnehmen um die nötigen Investitionen wie den Kauf von Maschinen und eines Folientunnels sowie Saatgut und Jungpflanzen zu tätigen.
Aber gemeinsam mit unseren Mitgliedern schaffen wir das: Egal ob ein Darlehen von 10.000 € oder 1.000 € – jeder Euro hilft weiter und muss nicht von der Bank geliehen werden!
Wird man sein Geld auf jeden Fall zurückbekommen?
Das Darlehen ist nicht ohne Risiko und wir können keine Sicherheiten wie eine Bank geben. Sollte die Solawi Heckengäu insolvent gehen, werden die Nachrangdarlehen, wie der Name bereits sagt, nachrangig behandelt. Das bedeutet, dass zunächst andere Schulden, beispielsweise bei Banken, bezahlt werden, bevor die Darlehensgeber*innen bedient werden. Es besteht also das Risiko, dass das Darlehen nicht zurückgezahlt werden kann, was zum Verlust des gesamten Darlehensbetrags führt.
Wir haben allerdings einen Wirtschaftsplan erstellt, in welchem wir „best case“ und „worst case“ Szenarien berechnet haben. Im Rahmen der Genossenschaftsanmeldung und folgend in einem jährlichen Rhythmus wird die Genossenschaft durch einen Prüfverband einer Prüfung unterzogen.
Unterjährig wird der Vorstand quartalsmäßig durch den Aufsichtsrat kontrolliert und muss hierbei Abweichungen vom Wirtschaftsplan begründen.
Wir sind also gut aufgestellt, um einer Insolvenz vorzubeugen.
Nachrangdarlehen können weiterhin durch neuerliche Darlehen ausgeglichen werden. D.h. wenn ein Mitglied ein Darlehen gegeben hat und den Vertrag kurzfristig kündigen möchte, kann dies durch ein weiteres Mitglied, welches ein Nachrangdarlehen gibt, ausgeglichen werden.
Was hat man davon, ein Darlehen zu geben?
Der Solawi Heckengäu ein Darlehen zu geben ist eine gute Investition. Entgegen anderer Investitionen, beispielsweise in anonymen Investmentsfonds, weiß man ganz genau, wohin das Geld geht und kann im Rahmen der Generalversammlung mitbestimmen, wofür investiert wird. Die Investition zahlt sich in unserem Fall zwar nicht unbedingt in Geld aus, aber man unterstützt aktiv den Aufbau unseres Ökosystems und eines sozialen Raums.
Die Genossenschaft wird durch die Einlagen und Darlehen gemeinschaftlich finanziert, was eine günstige Finanzierung und niedrigen Kapitaldienst ermöglicht. So können wir effizient und rentabel wirtschaften! Das Potential liegt dabei im gemeinsamen Engagement vieler Mitglieder – für eine klimafreundliche, ökologische, resiliente und solidarische Landwirtschaft.